Rede zum Haushaltsplan 2016

Theo Hartmann
Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler

Krisen beherrschen unsere Welt, mal betreffen sie uns mehr, mal weniger. Letztes Jahr haben wir unsere Haushaltsrede mit den Auswirkungen der großen Finanz- und Wirtschaftskrise begonnen. Die Griechenland-Krise hat bis vor wenigen Wochen die Schlagzeilen beherrscht, die Vorgänge in der Ukraine beunruhigten uns und nun werden diese durch eine humanitäre Katastrophe  vollständig in den Hintergrund gerückt:
Die aktuelle Flüchtlingssituation überschattet derzeit alle Bereiche unseres Alltags.

Plötzlich hat sich alles verändert, denn die Flüchtlinge sind nicht länger weit von uns entfernt; sie kommen zu Tausenden täglich über unsere Grenzen.

Nach monatelanger faktischer Untätigkeit fand zwar letzte Woche in Berlin ein Gesprächsgipfel statt,  die Koalition streitet aber weiterhin, anstatt zielgerichtet zu handeln. Einig  ist man sich vor allem darin: Es muss etwas passieren, so planlos und chaotisch kann es nicht weitergehen.

An sich müssten dringend die Fluchtursachen beseitigt werden. Nur –  wie soll das gelingen? Auch Armut mildernde Hilfen zur Selbsthilfe gehen nicht von heute auf morgen.

Deutschland alleine kann es nicht lösen!!

Politische Entscheidungen werden ganz oben getroffen, umgesetzt werden müssen sie dann an der Basis, und genau dort befindet sich die Kommunalpolitik – und wir in Ostfildern. Hier trifft Politik auf Wirklichkeit!
Wir haben uns ausdrücklich für eine dezentrale Unterbringung in allen Stadtteilen ausgesprochen, nur so lässt sich  eine bestmögliche Akzeptanz in der Bürgerschaft  erreichen.

Wir erleben beides in unserer Stadt: Einerseits Sorge, Ablehnung und Ängste. Wie wird es gelingen, viele Menschen möglichst schnell zu integrieren, wie wird sich das Zusammenleben mit fremden Kulturen und Werten gestalten, wie wird sich unsere Stadt verändern? Diese Sorgen können einen nicht kalt und unberührt lassen und müssen offen angesprochen werden.
Und andererseits besteht ein hohes Maß an Unterstützung und Hilfen für die Asylbewerber und Flüchtlinge.

Hier gilt unser großer Dank den Mitbürgerinnen und Mitbürgern, mit dem Freundeskreis für Asyl, mit den Kirchengemeinden, Vereinen und vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern.

Klar ist aber auch: Wir müssen uns der Realität stellen und pragmatisch sein, jammern nützt nichts. Die politisch Verantwortlichen müssen bei dieser außergewöhnlichen Herausforderung Flagge zeigen! Hilfsbereit und sachlich  wird unsere Stadt Ostfildern in Zusammenarbeit mit dem Landkreis ihren Beitrag leisten. Wir vertrauen darauf, dass wir gemeinsam mit positiver Energie und Optimismus, aber auch mit klaren Spielregeln und gegenseitiger Akzeptanz, die Herausforderungen der Zukunft schaffen können.

Für die Anschlussunterbringung anerkannter Asylbewerber oder Flüchtlinge ist jede Kommune alleine zuständig. Nach Anerkennung muss dieser Personenkreis die Erstunterkunft verlassen. Mit großer Sorge sehen wir daher, wo diese Menschen unterkommen sollen.
Mit Hochdruck müssen Planungen dafür erarbeitet werden. Die Zeit drängt!  Im Haushalt ist dafür eine Anfangs-Investition von1,3 Mill.€ vorgesehen, aber es muss dringend auch ein entsprechender Baugrund ausgewiesen werden.

Finanzen
Im Jahr 2015 konnten wir große Investitionen abschließen z.B. den Neubau der Grundschule Ruit mit über 10 Mill € und die Kläranlage in Nellingen.

Bei der Verabschiedung des Eckwertebeschlusses am 6.5.2015 gingen wir noch von einem ausgeglichen Haushaltsergebnis aus.  Leider haben sich die Gewerbesteuereinnahmen nicht wie vorgesehen weiterentwickelt sondern es fehlen uns 2,5 Mio. € entgegen dem ursprünglichen Plan.
Die Aufgaben wurden aber nicht in dem Maße geringer, nein im Gegenteil.

Es ist lobenswert, wenn der Bund für das Jahr 2016 eine Nullverschuldung plant. Der Bund will sogar die Staatschuldenquote von 71,5% in 2015 bis 2019 auf 61,5 % drücken. Dieses Ziel bzw. die Kehrtwende nicht immer neue Schulden zu machen ist ausdrücklich zu begrüßen.
Auch das Land brüstet sich mit der Nullverschuldung. Wir finden das Ziel grundsätzlich super, aber wo bleiben die Kommunen??
Angesichts des immensen Investitionsstaus und des anhaltend geringen Investitionsspielraums werden auch für 2016 Forderungen nach weiterer finanzieller Entlastung der Kommunen durch den Bund nicht nachlassen.

Unser Haushaltsplan weist ein Defizit von ca. 1,5 Mio. € aus –  die Abschreibungen werden nur teilweise erwirtschaftet.
Dies  war aber noch bevor uns das Thema Nr. 1 Flüchtlinge aus Kriegsgebieten eingeholt hat. Zwar hat dieses bis jetzt noch keine große Auswirkung auf unseren Haushalt, aber man kann doch nicht angesichts dieser Not von vorneherein mit einem Minus-Ergebnis starten.
Wir brauchen wenigsten im HH-Plan eine schwarze Null.

Hierzu machen wir noch Vorschläge.

Ein großes Anliegen von uns Freien Wählern war immer, die Entwicklung der städtischen Finanzen im Hinblick auf das Jahr 2020 vor Augen zu haben, wenn die Schuldenbremse greift.

Dieses Thema wurde bei der Finanzklausur im Februar dieses Jahres von der Verwaltung bearbeitet und aufgezeigt. Allerdings haben sich die damaligen Parameter durch die wesentlich geringeren Einnahmen bei der Gewerbesteuer  verändert und sind so nicht mehr haltbar.
Wir erwarten von der Verwaltung bis zur Finanzklausur im März 2016 entsprechend Vorschläge wie und wo die Veränderungen aufgefangen bzw. ausgeglichen werden können.
Strategien zur Sicherung einer dauerhaften finanziellen Leistungsfähigkeit sind gefragt.

Die veranschlagten Einnahmen halten wir für realistisch.

Finanzrisiken, verursacht durch die Griechenland-und Ukrainekrise, sowie das Russland- Embargo, wurden bisher nicht berücksichtigt ebenso wie das ganz zentrale Thema der Flüchtlinge und Asylanten.

Schwerpunkt bei den Einnahmen bilden die Gewerbesteuer und der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer.
Der Rückgang der Gewerbesteuer lässt  sich nur so erklären:
Große Unternehmen in der Stadt haben erhebliche Investitionen getätigt und können dies gewinnmindernd mit ihren Erträgen verrechnen. Wir sind zuversichtlich, dass sich diese Situation wieder positiv verändern  kann.

Ausgaben:
Die Personalausgaben  mit 28 Mio. € sind der größte Kostenblock nach den Transferaufwendungen, auf die die Stadt keinerlei Einfluss hat, wie z.B. Umlagen im Finanzausgleich oder bei der Kreisumlage mit  40 Mio. € und somit sind schon über 77% der städtischen Einnahmen fest gebunden.

Die Personalkosten sind wenig beeinflussbar, außer dass man Stellenmehrungen möglichst vermeidet; da müssen wir auch im Fachbereich 2 strenge Maßstäbe anlegen: Was ist wünschenswert, was unerlässlich.
Durch den Ausbau der Kinderbetreuung mussten notwendiger Weise sehr viele Stellen geschaffen werden.

Allerdings können wir die Schaffung einer neuen Stelle für eine Sozialpädagogin für ein Familienzentrum im Stadtteil Scharnhausen nicht mittragen. Hier wollen wir erst ein schlüssiges Konzept mit allen Folgekosten sehen und darüber beraten. Deshalb beantragen wir diese Stelle 2016 zu streichen.


Einsparvorschläge:

Folgende Investitionen sind im kommenden Jahr unserer Auffassung nach nicht unbedingt dringend und können geschoben werden:

Rathaus Ruit Brandschutz                                 500.000.- €
Klosterhofschule Nellingen BHKW                          126.000.- €
Pfingstweideschule Kemnat WC                              50.000.- €
Sporthalle Kemnat  Wärmeschutz                           790.000.- €
Altes Rathaus Kemnat Brandschutz                         210.000.- €
Fußgängerampel Plieninger Str. Scharnhausen               65.000.- €
Lindenschule Kleinspielfeld                               70.000.- €
Radverkehrskonzept    Kürzung um                         140.000.- €
Ladestation für E-Bike                                    15.000.- €
                                                       _____________
Summe                                                  1.966.000.- €


Radverkehrskonzept:

Bei dem  obenerwähnten Betrag handelt es sich um eine Kürzung, denn der

Radweg nach Esslingen entlang der Breslauer Str. kann unserer Auffassung nach nur im Zusammenhang mit der Bebauung Parksiedlung Nord-Ost kommen, deshalb brauchen wir die Mittel in 2016 noch nicht.

Anstelle der eingeplanten Fahrradboxen beantragen wir Radbügel  und zwar an der Endhaltestelle in Nellingen, der Haltestelle Kreuzbrunnen und an der Haltestelle Parksiedlung.


Schule

Das Schulsystem in Baden-Württemberg ist seit Jahren im Umbruch:  Der Realschule ging  ihre klassische Stellung als Mittelschule zwischen Hauptschule und Gymnasium leider verloren.  Es vermischen sich die Strukturen der Gemeinschaftsschule und Realschule und die Frage lautet, wie sich diese Schularten weiterentwickeln werden, auch im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl.

Bei unserer Kreiskonferenz der Freien Wähler hatten wir jüngst Prof. Thorsten Bohl von der Uni Tübingen zu Gast, ein ausgewiesener Fachmann im Bereich Gemeinschaftsschule. Er sieht für die Zukunft in Baden-Württemberg ein Zwei-Säulen-System aus Gymnasium mit G-8 und einer anderen Schulart daneben, welche richtig attraktiv sein müsse, am besten mit der Möglichkeit eines gymnasialen Abschlusses, was ja auch von den beruflichen Gymnasien geleistet werden könne.
Das Kollegium der Werkrealschule um Rektor Lang hat sich daher rechtzeitig um eine Alternative in Form einer Entwicklung zur Gemeinschaftsschule bemüht und wir haben dies in unserer letzten Haushaltsrede unterstützt. Große Zustimmung kam auch vom Gesamtelternbeirat.

Die endgültige Entscheidung des Regierungspräsidiums steht noch aus, doch sind alle Beteiligten sehr zuversichtlich. Wichtig ist nun eine aktive Informationspolitik für Eltern, die sich für die neue Schulart interessieren.

Eine Forderung von Prof Bohl möchten wir an dieser Stelle ausdrücklich auch unterstützen: Mehr individuellen Spielraum und keine zu engen Vorgaben sind wichtig für die Umsetzung und  Akzeptanz von Gemeinschaftsschule. Zudem hat sich die Realschule unserer Ansicht nach bewährt und wir halten sie für unverzichtbar. Wesentlich ist nicht, was auf einer Schule außen draufsteht, sondern die hohe Qualität einer Schule und vor allem des Unterrichts.


Kinderbetreuung

Auch im vergangenen Jahr haben wir unsere Betreuungsangebote für Kinder aller Altersgruppen ausgebaut, viel Geld in neue Einrichtungen investiert und private Träger unterstützt. Alles hat seinen Preis – auch die Kinderbetreuung und damit hängt folglich auch der Kostenbeitrag der Eltern zusammen.

Bei der letzten Gebührenerhöhung ist eine teilweise sehr emotionale Gerechtigkeitsdebatte bei Kita-Gebühren entbrannt. Wir Freien Wähler haben bereits damals in unserer Stellungnahme die Frage aufgeworfen:
Wie gerecht kann ein System überhaupt sein?
Welche Kosten werden von Eltern als angemessen empfunden?

Für eine Umarbeitung innerhalb des Gebührenmodells haben wir bereits im März Gesprächsbereitschaft signalisiert  und wir erwarten einen neuen Vorschlag der Verwaltung,  allerdings mit der klaren Vorgabe:
Der prozentuale Anteil, den die Eltern für die Finanzierung der Kinderbetreuung beitragen, darf nicht geringer ausfallen als bisher.

Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die sehr engagierte Initiative des Gesamtelternbeirates Kita Ostfildern als einen wichtigen Beitrag in Form einer Fragebogenaktion für die Eltern. Dabei geht es für uns um Erkenntnisse über z.B. den Bedarf an flexiblen Buchungsmöglichkeiten und eine bessere Auslastung in verschiedenen Betreuungsbereichen.

Ein großer Dank bereits an dieser Stelle an die GEB Kita Ostfildern!
Wir sind gespannt auf die Auswertungen und sind offen für Gespräche.


Sporthalle 1 in Nellingen

Hier können wir uns nur einen Neubau vorstellen und keine Sanierung.
Nachdem mit den Beteiligten nun wohl ein geeigneter neuer Standort gefunden werden konnte,  erwarten wir, dass die weiteren Planungen sehr schnell vorangetrieben werden, um in das Zuschussprogramm zu kommen. Bei einer Sanierung können wir Freien Wähler  uns nicht vorstellen, wie und wohin die Belegung einigermaßen zufriedenstellend ausgelagert werden könnte.  Wenn die neue Sporthalle gebaut ist, kann die Abbruchfläche als mögliche Erweiterung für den Schulcampus dienen.

Auch in Ruit muss mittelfristig ein zufriedenstellender Ersatz für die Schillerschul- und Badturnhalle gefunden werden. Der Bewegungsraum in der neuen Grundschule ist tagsüber voll von der Schule belegt und steht erst am Abend für andere Aktivitäten zur Verfügung.


ÖPNV

Der ÖPNV ist bei unseren Verkehrsverhältnissen wichtiger denn je und muss attraktiv sein. Die Linie 131 sollte sinnvollerweise auf die Stadtbahn getaktet werden und nicht auf die S Bahn. Schwachstellen sind auch schlecht beleuchtete Fußwege z.B. in Nellingen entlang der L 1200 bis zur Haltestelle Akademie. Dies wird seit Jahren bemängelt. Wir bitten um Prüfung:
Was kostet hier eine Gehwegbeleuchtung?


Wohnungsbau

Wir sind froh, dass jetzt das Gebiet Ob der Halde in Scharnhausen angegangen wird, um dort einen Start mit bezahlbarem Wohnraum zu verwirklichen. Wir sind gespannt was der Städtebauliche Ideenwettbewerb für Erkenntnisse bringt.
Nachdem der Scharnhauser Park nahezu aufgesiedelt ist und wir keine weiteren Bauplätze in der Stadt haben, müssen  die  im Flächennutzungsplan zur Verfügung stehenden Flächen aktiviert werden. Ansonsten sind notwendige wohnungspolitische Initiativen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Der Preisdruck auf den noch frei werdenden Flächen im Stadtgebiet ist zu groß.
Unser Vorschlag ist, in Nellingen das Gebiet Nellingen West zur Bebauung vorzubereiten. Wir können uns hier eine Bebauung mit 50% gefördertem Wohnraum vorstellen.
Vor allem für Familien mit geringem Einkommen, Kinderreiche und Alleinerziehende ist die Wohnungssuche problematisch. Der zusätzliche Bedarf als Folge des Flüchtlingszustroms verschärft den Wettbewerb und birgt die Gefahr des sozialen Sprengstoffs in sich.


Sanierungsgebiete

Ruit:
Wir hoffen, dass die Straßenbauarbeiten zur Verschönerung des Ortskernes in Ruit noch dieses Jahr abgeschlossen werden können. Themen wie der „Standort des Marktes“ und wie kann eine „Entlastung für die Kronenstraße“ gefunden werden müssen zeitnah beraten werden.

Nellingen:
Entwicklung der Hindenburgstraße:
Die Schwachpunkte wurden bei den ersten Bürgerbeteiligungen benannt:
– Verbesserung der Verkehrssituation
– Belebung des Einzelhandels und
– Erhöhung der Aufenthaltsqualität
Daran muss zügig in Zusammenarbeit  mit den Bürgern, Bürgerinnen und dem Gemeinderat weitergearbeitet werden.


Dank
und Ausblick
Meine Damen und Herren,
schließen möchte ich mit großem Dank im Namen der Freien Wähler Ostfildern an alle Mitbürgerinnen und Mitbürger für ihr Engagement und ihren persönlichen Einsatz auf vielseitige Weise im Alltagsgeschehen unserer Stadt: Den vielen Helfern und Ehrenamtlichen bei den Vereinen, Initiativen und in den Kirchengemeinden; den fleißigen Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr und dem DRK. An dieser Stelle nochmals unseren Dank an die ehrenamtlichen Aktiven in der Flüchtlingsarbeit.
Wir bedanken uns bei allen Mitarbeitern der Verwaltung, unserer Verwaltungsspitze Herrn OB Bolay sowie unserem Ersten BM Lechner und Hr. Weisbarth für die gewohnt zuverlässige Aufstellung des Haushaltes sowie bei allen Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates für die vertrauensvolle Zusammenarbeit.

 

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